Unser Gehirn ist das Organ, das im Sekundentakt über unsere Wahrnehmungssinne Informationen aufnimmt. Allein das Wort „Information“ bietet uns alles, was wir über diesen „magischen“ Vorgang wissen sollten: Ein eingeführtes Material bewirkt die Entstehung einer neuen Form des Gehirninhalts. Bei jedem einzelnen Reiz, ganz unabhängig von seiner Größe und Intensität, sei es ein Bild, ein Ton, eine Berührung etc., wird unser Gehirn modifiziert; es nimmt eine neue Form an und unterscheidet sich von dem, was es vor einigen Sekunden noch war.
Informationen dringen ein, werden verarbeitet (jeweils im zuständigen Areal: Schläfenlappen, Scheitellappen, Hinterhauptslappen und Stirnlappen) und springen als Gedanken wieder hinaus. Jedoch sind Gedanken immateriell. Sie können weder gesehen, gehört, gerochen, geschmeckt oder berührt werden. Und genau hier tritt die Sprache zum Dienst. Wörter, Syntax und Grammatik verleihen unserer Gedankenwelt ein optisches und akustisches Bild – selbst ein haptisches, da die Unterarmmuskulatur bei jeglichem schriftlichem Ideenexport ein ganz konkretes Muster abspeichert – sodass sie von nun an angefasst und gesammelt werden kann. Von nun an geht es uns hauptsächlich ums Erinnern.
Alles, woran wir uns erinnern, wird „Gedächtnis“ genannt. Diese zusammengeflochtene Einheit, bestehend aus einer unermesslichen Teilchenkette, macht schließlich das aus, was wir „Ich“ nennen. Wir sind das, woran wir uns erinnern; ganz flüchtig ausgedrückt, versteht sich.
Nun, das „Ich“ ist in zwei Kategorien unterteilt: die Rolle und die Identität. Jeder von uns spielt täglich diverse Rollen. Man ist Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter, Ehemann oder Ehefrau etc. Unter diesem Aspekt betrachtet ist die Rolle das, was bleibt, wenn der Schauspieler, also jeder einzelne von uns, wechselt. Die Rolle bleibt bis ans Ende der Zeit bestehen, während die Schauspieler ständig ausgetauscht werden. Dagegen ist die Identität das, was bleibt, wenn die Rollen gewechselt werden. Jeder Schauspieler spielt alle seine Rollen mit diesem bestimmten Etwas, das ihn oder sie charakterisiert und als sein ganz bestimmter, sozialer Abdruck bezeichnet werden könnte.
„Nichts ist so beständig wie der Wandel selbst“, sagte einst Heraklit. Und somit müssen wir uns heute damit abfinden, dass sich auch unser „Ich“ im ständigen Wandel befindet. Was wir gestern noch waren, schwindet heute dahin. Alles, was wir gestern noch verteidigten und völlig gewiss zu sein schien, wird heute von genau derselben Person (uns selbst) hinterfragt. Denn Gewissheit führt zu Stagnation, und Stagnation zu Dogmen, die uns rasch sowohl beruflich als auch privat ins Hintertreffen geraten lassen. Im Gegensatz dazu führt Neugier zu Selbstvertrauen; sie macht uns umtriebig und leistungsstark. Demnach ist ein gesunder Menschenverstand mit dem Wunsch nach Weiterbildung und ständig wechselnden Herausforderungen und Aufgaben im Leben verbunden. Eine rege geistige und körperliche Betätigung ist alles, wonach wir Menschen täglich streben (sollten).
Doch welchen Einfluss haben wir auf diesen Wandel und wie können wir ihn steuern?
Durch eine gezielte Umgestaltung unserer Gewohnheiten, durch einen Sinneswandel also. Die Gewohnheiten beeinflussen die Informationen, die über unsere fünf Wahrnehmungssinne ins Gehirn gelangen, dort ihre Arbeit leisten und schließlich zu Gedanken werden. Indem wir selbst unseren Alltag manipulieren, gelangen in unser Denkorgan nur die Reize, die von uns explizit gewählt wurden. So entstehen entsprechende Gedanken, die über den Erinnerungsprozess zu einem neuen Gedächtnis geformt werden. Dieses macht ein neues „Ich“ aus, unsere Identität wird hierbei ebenfalls erneuert und gebärt einen neuen und von uns selbst kreierten Status Quo. Das neue „Ich“ ist hiermit ins Leben gerufen.
Abschließend lässt sich also feststellen, dass die Erlernung einer Fremdsprache – in groben Zügen – nichts anderes ist, als die bewusste Einstellung der eigenen Realität und die geplante und gesteuerte Abänderung des täglichen In- und Outputs.
Danke für die kurze Einführung ins menschliche Gehirn und dessen Aufbau und Funktion.
Die Philosophie beschäftigt sich schon seit Anbeginn mit dem Thema der Identität und wo sie physikalisch im Gehirn wohl gebildet wird.
Das menschliche „ich“ ist eine Ansammlung von Perzeptionen, die ständig im Wandel sind und sich entwickeln.
Also ist die Annahme völlig richtig, dass Stagnation nichts Wahres ist, oder zumindest im Gegensatz zur natürlichen Ordnung steht, die dem ständigen Wandel untergeordnet ist.
Die Sprache als Mittel des Denkens bestimmt unsere Weltanschauung und gibt unseren Gedanken eine Form. Je mehr Wege wir besitzen, diesen Gedanken Ausdruck zu verleihen, umso mehr Wege besitzen wir, die Welt zu betrachten und zu verstehen. Toleranz, Akzeptanz und Mitgefühl erwachsen als direkte Reaktion auf diese Mehrsprachigkeit.
Lass uns mal treffen und mehr quatschen
Niko